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Alles Wichtige verständlich und kompakt erläutert
Das Gesellschaftsrecht der Vereinigten Staaten unterscheidet sich fundamental von den bundeseinheitlichen Systemen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, denn es ist nicht auf Bundesebene geregelt, sondern liegt in der Zuständigkeit der einzelnen Bundesstaaten. Das führt zu einem komplexen Flickenteppich aus 50 verschiedenen Rechtssystemen. Jedes gilt nur im jeweiligen Bundesstaat.
Jeder Bundesstaat hat seine gesamte Gesetzgebung in einer Gesetzessammlung organisiert - den sogenannten Statutes oder Codes. Innerhalb dieser Sammlungen finden sich dann die Regelungen zum Gesellschaftsrecht, die üblicherweise als Business Corporation Acts (BCA) oder Business Corporation Law bezeichnet werden. Auch die Bezeichnungen State Corporation Statute oder Business Code sind gebräuchlich. Einige wenige Staaten haben jedoch separate, eigenständige Gesetze für verschiedene Rechtsformen, was aber die Ausnahme ist und nicht die Regel.
Diese Regelungen sind also normalerweise nicht in separaten Einzelgesetzen wie das deutsche GmbH-Gesetz oder Aktiengesetz zu finden, sondern in Kapiteln oder Titeln innerhalb größerer Gesetzeswerke. Sie entsprechen funktional dem deutschen GmbH-Gesetz und Aktiengesetz, dem österreichischen Pendant oder dem schweizerischen Obligationenrecht - mit dem entscheidenden Unterschied, dass diese in Deutschland, Österreich und der Schweiz jeweils auf Bundesebene geregelt sind und damit landesweit einheitlich gelten.
Parallel zu den Business Corporation Acts existieren in allen Bundesstaaten auch LLC Acts (wie z.B. der Florida Revised Limited Liability Company Act oder der Delaware Limited Liability Company Act), die speziell die Rechtsform der LLC regeln. Auch diese sind von Staat zu Staat unterschiedlich ausgestaltet.
Florida etwa fasst seine Gesetze in den Florida Statutes zusammen - einer umfassenden Gesetzessammlung, die in "Titles" gegliedert ist. Das Gesellschaftsrecht findet sich in Title XXXVI (Business Organizations), wo verschiedene Rechtsformen jeweils eigene Chapters haben.
Delaware organisiert seine Gesetze im Delaware Code, der nach Rechtsbereichen in verschiedene "Titles" unterteilt ist. Corporations sind in Title 8 geregelt, LLCs in Title 6.
Kalifornien hat für verschiedene Rechtsbereiche separate Codes - der California Corporations Code fasst das gesamte Gesellschaftsrecht zusammen, mit verschiedenen Divisions und Titles für unterschiedliche Rechtsformen.
Texas wiederum hat einen spezialisierten Texas Business Organizations Code, der das gesamte Unternehmensrecht - Corporations, LLCs, Partnerships und andere Rechtsformen - in einem einzigen, thematisch geordneten Gesetzeswerk bündelt.
New York strukturiert seine Gesetze als separate "Laws" für verschiedene Bereiche - deshalb gibt es ein eigenständiges Business Corporation Law und ein Limited Liability Company Law.
Die Systematik kann also von Staat zu Staat unterschiedlich sein. Diese strukturellen Unterschiede erschweren die Rechtsanwendung zusätzlich.
Die BCAs schaffen das juristische Fundament für die Errichtung und den Betrieb von Corporations. Sie regeln unter anderem:
Die LLC Acts regeln entsprechende Fragen für Limited Liability Companies - oft mit deutlich mehr Flexibilität als bei den Corporations.
Die BCAs und LLC Acts regeln sowohl das Außenverhältnis (Beziehung zu Dritten wie Gläubigern, Geschäftspartnern, Behörden) als auch das Innenverhältnis (Beziehungen der Gesellschafter untereinander, Stimmrechte, Gewinnverteilung, Entscheidungsfindung).
Während das Außenverhältnis meist durch zwingende Vorschriften stark reguliert ist - etwa Haftungsregeln, Vertretungsbefugnisse oder Publizitätspflichten -, lassen die Gesetze beim Innenverhältnis deutlich mehr Spielraum. Die meisten Regelungen zum Innenverhältnis sind dispositiv, d.h. sie gelten nur, wenn die Beteiligten nichts anderes vereinbaren.
Das Problem: Die gesetzlichen Default-Regelungen - also die Vorschriften, die gelten, wenn nichts anderes vereinbart wird - passen oft nicht zur konkreten Situation. Sie sind als allgemeine Auffangregelungen konzipiert und berücksichtigen nicht die individuellen Bedürfnisse eines bestimmten Unternehmens.
Beispiele für Default-Regelungen - die passen können oder auch nicht:
Deshalb werden in der Praxis interne Vereinbarungen getroffen, die das Innenverhältnis individuell ausgestalten, und zwar über:
Diese Dokumente sind rechtlich nicht immer zwingend erforderlich. Viele Bundesstaaten schreiben sie nicht vor. Praktisch sind sie aber unverzichtbar, sobald
Bylaws und Operating Agreements entsprechen der Satzung bzw. den Statuten einer Gesellschaft in den DACH-Ländern.
Wie viel Spielraum Bylaws oder Operating Agreements haben, hängt stark vom Bundesstaat ab. Manche Staaten gewähren große Freiheit, andere setzen engere Grenzen. Die Unterschiede kommen umso mehr zum tragen, je größer eine Corporation ist.
Beispiel Delaware vs. Kalifornien bei Corporations:
Delaware erlaubt in den Bylaws eine sehr flexible Ausgestaltung:
Kalifornien hingegen hat strengere Schutzmechanismen für Aktionäre:
Das bedeutet konkret: Eine Delaware Corporation hat in ihren Bylaws deutlich mehr Gestaltungsfreiheit als eine kalifornische Corporation. Das ist einer der Gründe, warum viele Unternehmen Delaware als Gründungsstaat wählen.
LLCs bieten generell mehr Flexibilität als Corporations - aber auch hier gibt es erhebliche bundesstaatliche Unterschiede.
Delaware LLC Act - gilt als besonders flexibel:
Wyoming LLC Act – ebenfalls sehr flexibel:
Kalifornien LLC Act – deutlich restriktiver:
Diese Unterschiede sind nicht rein akademisch, sondern können je nach Fall konkrete Auswirkungen haben:
Ein Gründer, der maximale Flexibilität will und seine LLC individuell ausgestalten möchte, ist mit Delaware oder Wyoming besser bedient als mit Kalifornien.
Ein Minderheitsgesellschafter, der Schutz vor Übervorteilung sucht, findet in Kalifornien oder New York strengere Regelungen, die ihn besser absichern - während Delaware eher die Interessen der Mehrheit und des Managements bevorzugt.
Für Venture Capital-finanzierte Startups ist Delaware praktisch Standard, weil Investoren die dortige Flexibilität und die umfangreiche Rechtsprechung schätzen. Bylaws und Operating Agreements können dort so gestaltet werden, dass komplexe Investorenstrukturen mit verschiedenen Anteilsklassen, Vorzugsrechten und Mitspracherechten problemlos abbildbar sind.
Die Inhomogenität des Gesellschaftsrechts zwischen den Bundesstaaten wurde früh als Problem erkannt - insbesondere für Unternehmen, die in mehreren Staaten tätig waren. Ein Unternehmen mit Niederlassungen in zehn Bundesstaaten musste sich mit zehn teils völlig unterschiedlichen Rechtssystemen auseinandersetzen.
Um diese Fragmentierung zu reduzieren, entwickelte die American Bar Association - die größte Vereinigung von Rechtsanwälten und Juristen in den USA - bereits in den 1950er Jahren den Model Business Corporation Act (MBCA). Diese Mustervorlage sollte den Bundesstaaten als Blaupause für ihre eigenen Gesellschaftsgesetze dienen.
Der MBCA wurde über die Jahrzehnte mehrfach überarbeitet und existiert heute als Revised Model Business Corporation Act (RMBCA). Die letzte umfassende Revision erfolgte in den 1980er Jahren, aber auch danach gab es regelmäßige Aktualisierungen.
Der Vereinheitlichungsversuch war teilweise erfolgreich: 24 Bundesstaaten haben den MBCA/RMBCA vollständig oder weitgehend übernommen. Viele weitere Staaten haben sich bei der Gestaltung ihrer eigenen Gesetze zumindest am MBCA orientiert. Das führt dazu, dass sich die Business Corporation Acts der einzelnen Staaten heute in vielen Bereichen stark ähneln oder sogar identisch sind
Jedoch gilt: Keineswegs sind die Business Corporation Acts in allen US-Staaten dieselben. Erhebliche Unterschiede bestehen insbesondere in:
Für LLCs existiert ein ähnliches Modellgesetz, der Uniform Limited Liability Company Act (ULLCA), der aber noch weniger einheitlich übernommen wurde als der MBCA.
Ein wichtiges Prinzip des US-Gesellschaftsrechts ist die Internal Affairs Doctrine. Diese besagt, dass für die internen Angelegenheiten einer Corporation oder LLC das Recht des Gründungsstaates gilt - unabhängig davon, wo das Unternehmen tatsächlich operiert.
Beispiel: Eine Delaware LLC mit Sitz in Kalifornien wird in ihren internen Angelegenheiten (Rechte der Members, Pflichten der Manager, Gewinnverteilung, Stimmrechte) nach Delaware-Recht beurteilt, nicht nach kalifornischem Recht. Kalifornisches Recht gilt nur für die Frage, ob die LLC sich dort als Foreign LLC registrieren muss und welche lokalen Steuern und Gebühren anfallen.
Diese Doktrin ermöglicht es Unternehmen, durch die Wahl des Gründungsstaates das für sie günstigste Gesellschaftsrecht zu wählen.
Die Komplexität wird noch gesteigert durch die Tatsache, dass auch das Steuerrecht föderal organisiert ist. Anders als das Gesellschaftsrecht existiert zwar ein bundesweites Steuerrecht (der Internal Revenue Code), aber zusätzlich hat jeder Bundesstaat sein eigenes Steuersystem.
Das bedeutet:
Unterschiedliche State Corporate Income Taxes: Manche Staaten erheben gar keine Körperschaftsteuer (z.B. Nevada, Wyoming, South Dakota), andere sehr hohe Sätze (z.B. Iowa mit 12%, New Jersey mit 11,5%). Die Sätze variieren zwischen 0% und über 12%.
Franchise Taxes: Einige Staaten erheben zusätzlich zur Körperschaftsteuer eine "Franchise Tax" (eine Art Konzessionssteuer für das Privileg, als Corporation zu operieren). Delaware, Texas und andere Staaten nutzen dieses Modell.
Sales Taxes: Umsatzsteuern sind ebenfalls staatlich geregelt, mit Sätzen zwischen 0% (keine Sales Tax in Oregon, New Hampshire, Montana, Alaska, Delaware) und über 9% in manchen Counties.
Lokale Steuern: Zusätzlich können Kommunen (Counties, Cities) eigene Steuern erheben, etwa lokale Income Taxes oder Business Licenses Taxes.
Nexus-Regeln: Jeder Staat definiert eigene Regeln, wann ein Unternehmen dort steuerpflichtig wird. Ein Online-Shop mit Kunden in allen 50 Staaten muss potenziell mit allen 50 Steuersystemen umgehen.
Die föderale Struktur des US-Gesellschaftsrechts ist kein Zufall, sondern Ausdruck des amerikanischen Föderalismus-Prinzips. Die Gründerväter wollten bewusst Macht auf bundesstaatlicher Ebene belassen, um lokale Autonomie zu bewahren.
Historisch gab es immer wieder Bestrebungen zur Bundesvereinheitlichung, aber diese scheiterten am politischen Widerstand der Bundesstaaten. Delaware etwa hat ein starkes wirtschaftliches Interesse daran, sein eigenes System zu behalten - ein erheblicher Teil des Staatshaushalts kommt aus Incorporation Fees und Franchise Taxes.
Die Internal Affairs Doctrine und der daraus resultierende Wettbewerb zwischen den Bundesstaaten wird von manchen als positiv gesehen: Staaten konkurrieren um die besten Regelungen, was zu innovativem und unternehmerfreundlichem Recht führt. Kritiker sehen darin einen "Race to the Bottom", bei dem Staaten Schutzvorschriften für Gläubiger und Minderheitsgesellschafter abbauen, um Unternehmen anzulocken.
Faktisch ist das föderale System aber so tief verwurzelt, dass eine Änderung unwahrscheinlich ist. Gründer und Unternehmer müssen sich also auf absehbare Zeit mit der Komplexität der 50 verschiedenen Rechtssysteme arrangieren.
Der Model Business Corporation Act hat zu einer gewissen Annäherung geführt, aber erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesstaaten bestehen fort - insbesondere beim Bundesstaat Delaware, der bewusst ein eigenes, hochspezialisiertes Gesellschaftsrecht kultiviert hat.
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